Eine Gruppe Schirme schraubt sich an die Basis, formiert sich und gleitet entschlossen auf Kurs. Dieses Bild verkörpert die enorme Effizienz des Gruppenfliegens. Gerade im Flachland, wo die Thermik oft zerrissen und schwer zu finden ist, stellt sich für viele die Frage: Wie komme ich weg und vor allem – wie bleibe ich oben?
Die Antwort ist simpel: Fliege nicht allein. Das Gruppenfliegen mit dem Gleitschirm, das Pulkfliegen, ist die effektivste Strategie, um im Flachland schnell und weit zu kommen. Der entscheidende Vorteil ist die potenzierte Suchleistung des Schwarms. Während du allein nur einen kleinen Bereich scannst, deckt ein Pulk eine riesige Fläche ab. Die Gruppe agiert wie ein lebendes Netz, das die Wahrscheinlichkeit, den nächsten Bart zu finden, exponentiell erhöht.
Dieser Artikel ist keine theoretische Abhandlung, sondern eine Anleitung für die Praxis. Wir gehen auf die Taktiken und die Dynamik ein, die einen schnellen Pulk ausmachen – von der Führung bis zu den entscheidenden Sekunden beim Abflug aus der Thermik.
Vorbereitung am Boden
Ein erfolgreicher Teamflug beginnt lange vor dem Start. Eine sorgfältige gemeinsame Planung ist die Basis für schnelle und sichere Entscheidungen in der Luft.
- Gemeinsame Flugplanung: Setzt euch vor dem Start zusammen und besprecht die Eckpunkte des Tages. Einigt euch auf eine grobe Route, definiert mögliche Schlüsselstellen (z.B. große Waldgebiete oder Seequerungen) und legt ein gemeinsames Wetterfenster fest. Im Flachland ist es besonders wichtig, entlang der geplanten Route immer wieder mögliche Notlandeoptionen im Blick zu haben und diese zu besprechen.
- Kommunikations-Check: Ein funktionierendes Funkgerät ist für jeden Piloten im Team Pflicht. Legt vor dem Start einen Haupt- und einen Ausweichkanal fest und führt einen gründlichen Funkcheck durch, bei dem jeder Pilot einmal spricht und bestätigt wird. Disziplin am Funk ist entscheidend, um den Kanal für wichtige Informationen freizuhalten.
- Team-Übersicht: Wenn du nicht alle Piloten kennst, präg dir vor dem Start ihre Ausrüstung ein – Schirmfarbe, Gurtzeug und Helm. So weißt du in der Luft sofort, wer wer ist.
Taktiken und Dynamik im Pulk
Effizientes Gruppenfliegen ist kein Zufall, sondern ein komplexes Zusammenspiel aus individuellen Entscheidungen, Gruppendynamik und einem tiefen Verständnis für die Struktur der Luftmassen. Wer diese Dynamik versteht, fliegt schneller.
Die wichtigste Regel: Die Drehrichtung
Die fundamentalste Regel im Pulk lautet: Der erste Pilot, der in eine Thermik einfliegt, gibt die Drehrichtung vor. Alle nachfolgenden Piloten halten sich ausnahmslos daran. Das verhindert Frontalbegegnungen und schafft eine berechenbare, sichere Umgebung für alle.
Führung im Pulk: Warum der Höchste die Richtung vorgibt
Im Pulk entsteht Führung organisch. Meist ist es der höchste und erfahrenste Pilot, der die Entscheidungen für die Gruppe trifft. Das liegt nicht an einer formellen Rolle, sondern an seinem strategischen Vorteil. Er hat die beste Übersicht über die Wetterentwicklung, die größte Reichweite zum nächsten Aufwind und das geringste Risiko, landen zu müssen.
Die anderen Piloten folgen ihm nicht aus Gehorsam, sondern aus purem Eigennutz. Die Entscheidung des höchsten Piloten, einen Bart zu verlassen und eine bestimmte Linie zu fliegen, ist das stärkste Signal dafür, dass die Risiko-Nutzen-Abwägung nun das Weitergleiten favorisiert. Für die tieferen Piloten ist das Risiko des Abflugs zwar höher, aber das Risiko, vom führenden Pulk zurückgelassen zu werden, ist strategisch noch gravierender. Sie folgen also keinem Befehl, sondern einer blitzschnellen, rationalen Kalkulation.
Das „Go“ über Funk
Der Moment des Abflugs ist entscheidend. Um sicherzustellen, dass alle Piloten gleichzeitig reagieren und niemand zurückbleibt, gibt der führende Pilot ein klares und unmissverständliches „Go“ über Funk. Dieser Befehl synchronisiert den gesamten Pulk.
Warum ist das so kritisch? Zögern wird massiv bestraft. Eine einzelne Kurve in der Thermik dauert etwa 15 bis 20 Sekunden. Wenn der führende Pulk mit 50 km/h weitergleitet, bedeuten nur drei zusätzliche, zögerliche Kreise einen Rückstand von rund einem Kilometer. Wer den Anschluss verliert, verliert auch den größten Vorteil der Gruppe – die kollektive Suchleistung.
Sobald das „Go“ kommt, gibt es keine Zeit mehr für einen weiteren Kreis. Alle Piloten brechen das Kurbeln sofort ab und gehen auf Kurs. Die Entscheidung für das „Go“ hängt von mehreren Faktoren ab:
- Nachlassende Steigrate: Es ist sinnvoll, eine mentale Schwelle für das minimale Steigen festzulegen (z.B. 2 m/s). Fällt der Durchschnittswert darunter, wird der Bart als ineffizient betrachtet und verlassen.
- Bedingungen voraus: Perfekte Wolkenstraßen rechtfertigen einen aggressiven, frühen Abflug. Ein blaues Loch zwingt dazu, jeden Meter Höhe mitzunehmen.
- Höhe und Sicherheit: Je höher du bist, desto aggressiver kannst du fliegen. Höhe gibt dir die Freiheit, auch mal eine schwächere Option zu überspringen.
Der richtige Thermikeinstieg
Eine oft unterschätzte Technik ist der richtige Einflug in die Thermik. Anstatt passiv in den Bart hineinzugleiten, kann es sinnvoll sein, beschleunigt (im Speed-System) in den Aufwind zu fliegen. Dieser Geschwindigkeitsüberschuss hat zwei Vorteile: Die mitgenommene Dynamik kann in Höhe umgewandelt werden, und das Vorschießen des Schirms verhindert ein unerwünschtes Pendeln nach hinten beim Eintritt in die steigende Luftmasse. Diese Technik ist jedoch stark vom jeweiligen Schirmmodell abhängig und erfordert Übung.
Die Suchformation: Breit fächern statt Gänsemarsch
Nach dem Verlassen der Thermik ist es ineffizient, hintereinander auf einer Linie zu fliegen. Du siehst nicht, was hinter dir passiert – stell dir vor, ein Pilot hinter dir steigt plötzlich, während du stur geradeaus weiterfliegst.
Die effektivste Taktik ist genau das Gegenteil: Der Pulk fächert auf und fliegt so gut es geht nebeneinander, um ein breites Suchraster zu bilden. Jeder Pilot wird zu einem Sensor und vergrößert die kollektive Suchfläche. So werft ihr quasi ein breites Netz aus, um die Wahrscheinlichkeit zu maximieren, dass einer von euch den nächsten Aufwind findet. Siehst du einen Piloten steigen, lautet die Devise: Sofort ins Speed-System (Vollgas) und ohne Zögern hinfliegen. Jede Sekunde zählt.
Fortgeschrittene Techniken für hohe Schnittgeschwindigkeiten
Wenn die Bedingungen passen und das Team eingespielt ist, könnt ihr mit den richtigen Techniken die Durchschnittsgeschwindigkeit massiv erhöhen.
- Delfinfliegen (Dolphin Flying): Diese Technik ist der Schlüssel zu hohen Schnittgeschwindigkeiten, besonders unter Wolkenstraßen oder auf Konvergenzlinien. Anstatt in jedem schwächeren Heben zu kreisen, fliegt ihr geradeaus weiter und wandelt die Energie der Luft direkt in Strecke um:
- Im Steigen: Ihr lasst den Schirm auf Trimmgeschwindigkeit fliegen oder bremst sogar leicht an, um die Höhe maximal mitzunehmen.
- Im Sinken: Ihr tretet in den Beschleuniger, um den Bereich des Sinkens schnell zu durchqueren und den Höhenverlust zu minimieren.
Das Ziel ist, die Netto-Flughöhe über eine längere Distanz möglichst konstant zu halten.
- Wolkenstraßen nutzen: Wolkenstraßen sind die Autobahnen des Himmels. Sie bieten oft kilometerlange Linien mit zuverlässigem Steigen. Als Team könnt ihr diese optimal nutzen, indem ihr im Delfinstil von einer Wolke zur nächsten springt. Fliegt dabei idealerweise auf der sonnenbeschienenen Seite der Wolkenstraße, da hier oft zusätzliche Thermik ausgelöst wird. Wenn ihr seht, dass eine parallel verlaufende Wolkenstraße stärker ist, trefft als Gruppe die Entscheidung, gemeinsam dorthin zu wechseln.
Kommunikation im Pulk
Klare Kommunikation ist entscheidend für die Effizienz im Team. Dabei kommt es nicht nur darauf an, was gesagt wird, sondern auch wie.
Funkdisziplin für maximale Effizienz
Der Funkkanal ist euer Arbeitswerkzeug, kein Plauder-Café. Die Kommunikation muss kurz, präzise und für alle relevant sein.
- Was kommunizieren?
- Quantitative Steigwerte: „Alex: Habe hier konstante 3 Meter im Schnitt.“
- Gefahren: „Maria: Achtung, Segelflieger von rechts oben.“
- Klare Absichten: „Tom: Ich verlasse den Bart jetzt Richtung Osten zur Wolke am Waldrand.“
- Wie kommunizieren?
- Beginne immer mit deinem Namen, damit jeder weiß, wer spricht.
- Warte nach dem Drücken der Sendetaste einen Moment, bevor du sprichst, und lass sie erst los, wenn du fertig bist. Das verhindert abgeschnittene Nachrichten.
Fazit: Theorie in die Praxis umsetzen
Die beste Taktik nützt nichts, wenn sie nicht in der Luft erprobt wird. Gruppenflugdynamik, das Lesen der Bedingungen und schnelle Entscheidungen – all das will trainiert werden.
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